Presse

Pflege-Experte Michael Wessel: „Messen ohne jedes Maß“

erschienen auf die-stadtzeitung.de am 04. Juni 2024, Autor: Peter Pionke

Pflege-Experte Michael Wessel, Inhaber von Pflege Wessel, schlägt Alarm! Das neue Gesundheits-Versorgungsstärkungsgesetz vom 22. Mai sieht folgendes vor: Die Budgetierung der ärztlichen Honorare bei Hausärzten fällt künftig weg. Zudem gibt es weitere Reformen in der hausärztlichen Vergütung und das Versprechen, Bürokratieaufwand im Bereich der ärztlich verordneten Leistungen abzubauen.

Michael Wessel, Inhaber von Pflege Wessel und Initiator der Kampagne „Pflege am Limit“ – © Pflege Wessel

Das bedeute, so Michael Wessel: Hausärzte bekommen mehr Geld für Behandlungen, weil die Budgetdeckelung abgeschafft wird. Somit wird ein Anreiz geschaffen, mehr Patienten zu behandeln und zusätzliche Termine anzubieten. Außerdem gibt es Extra-Prämien für Hausbesuche und Sprechzeiten am Wochenende. Und durch das Verringern des Bürokratieaufwandes soll es mehr Zeit für die Patienten geben.

Michael Wessel, Initiator der Kampagne „Pflege am Limit“, erklärt: „Das alles wird Ärzte und Patienten wahrscheinlich freuen. Doch was genau zeigt es der Pflegebranche, genauer: den privat geführten Ambulanten Pflegediensten? Richtig! Für niedergelassene Ärzte ist Geld da, für die Pflegebranche nicht. Gehen wir der Reihe nach, denn jeder einzelne Punkt lässt sich übertragen: Die Budgetdeckelung, die von den Unternehmen seit Jahren kritisiert wird, weil sie Wirtschaftlichkeit und adäquate Versorgung von Patienten immens erschwert, bleibt unverändert bestehen. Daraus folgt, dass auch kein Anreiz geschaffen wird, mehr Patienten zu versorgen. Im Gegenteil: Zahlreiche Anfragen pflegebedürftiger Menschen müssen schon jetzt aus betriebswirtschaftlichen Gründen abgelehnt werden. Extra-Prämien für Hausbesuche und Sprechzeiten am Wochenende? Das wäre schön. Sind aber in der Pflege selbstverständlich nicht vorgesehen seitens der Politik.“

Michael Wessel argumentiert weiter: „Schlimmer noch: Erbringt ein Pflegedienst mehrere vom Arzt verordnete Leistungen zum selben Zeitpunkt an einem Patienten, wird nur die teuerste bezahlt. Alle weiteren sind unbezahlter Service seitens des ambulanten Dienstes. Die Pflegedienste sind also weit davon entfernt, dass sie – wie die Ärzte – ihre ‚gesamte Arbeitszeit auch bezahlt bekommen‘, wie sich Hausärzteverband-Chef Markus Beier zufrieden mit dem neuen Gesetz gegenüber der BILD-Zeitung äußerte. Von dem Bürokratieaufwand ganz zu schweigen. Denn der wächst und wächst in der Pflegebranche. Die Dokumentationspflicht beispielsweise nimmt mittlerweile genauso viel oder sogar mehr Zeit in Anspruch, als der Dienst am Patienten.“

Claudia Weber, Cura Ambulante Pflege und Pflegeberatung GmbH & Co.KG in Köln – © Cura Ambulante Pflege und Pflegeberatung

Fragen, die sich förmlich aufdrängen: Was also stellt pflegebedürftige Patienten schlechter im Vergleich zu Patienten von Hausärzten? Und was genau stellt Pflegedienste schlechter als Ärzte? Leisten nicht beide Berufsgruppen täglich die wichtigste Arbeit überhaupt in der Gesellschaft? Nämlich den Dienst für die Gesundheit der Menschen und für bestmögliche Unterstützung derjenigen, die auf Hilfe angewiesen sind? Und wieso dürfen Ärzte Geld mit ihrer Tätigkeit verdienen, das Image der Pflegedienste aber wird immer wieder beschädigt durch einige wenige, die mit krimineller Energie das Sozialsystem abzocken?

Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel in Wuppertal, hat Anfang dieses Jahres mit „Pflege am Limit“ eine Kampagne gestartet, um Politik und Gesellschaft auf die Missstände in der Finanzierung der Pflege und die weiterhin rollende Insolvenzwelle aufmerksam zu machen. Bundesweit haben sich Unternehmer angeschlossen, gemeinsam einen Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik geschickt. Mit konkreten Forderungen.

Die wichtigste: Das Anheben der Deckelung der Pflegegrade, also der Budgetdeckel. „Das neue Gesetz hat uns gezeigt, dass es offenbar doch möglich ist, Dinge zu ändern und Reformen anzustoßen. Bei der Pflege allerdings fehlt dieser politische Wille leider völlig“, sagt Michael Wessel. „Warum bleibt ausgerechnet die Pflege auf der Strecke? Wir arbeiten ebenso in der Mitte der Gesellschaft, das muss auch gleichermaßen honoriert werden“, fordert Claudia Weber, Cura Ambulante Pflege und Pflegeberatung GmbH & Co.KG in Köln.

Michael Wessel trägt seinen Standpunkt bei einem Meeting der Kampagne „Pflege am Limit“ vor – © Pflege Wessel

„Pflegedienste stehen aufgrund zu geringer Vergütungen im Verhältnis zu hohen Löhnen vor dem Aus, aber eine Reform muss laut Gesundheitsminister Lauterbach bis zur nächsten Legislaturperiode warten. Die Auswirkungen wird die gesamte Gesellschaft bitter zu spüren bekommen“, klare Worte von Claudia Weber. „Weshalb derart eklatant mit zweierlei Maß gemessen wird, ist niemandem mehr zu erklären. Vielmehr ist es wohl nur noch als Messen ohne jedes Maß anzusehen“, sagt Michael Wessel und fügt hinzu: „Die nächste Legislaturperiode werden viele Pflegedienste nicht mehr erleben.“

Link zur Webseite der Kampagne „Pflege am Limit“:

http://www.pflege-am-limit.de

 

Über Pflege Wessel

Seit 28 Jahren haben Versorgung, Pflege und Betreuung von Menschen oberste Priorität, sind Mission und Expertise des mehr als 280 Mitarbeiter starken Unternehmens.

Der Pflegedienst Wessel mit Standort in Wuppertal bietet fünf Pflege-Wohngemeinschaften für Personen mit Demenz-Erkrankungen in Wuppertal und sieben selbstbestimmte Wohngemeinschaften für Menschen mit schwerer mehrfacher Behinderung in Wuppertal, Haan, Wermelskirchen, Dülmen und Remscheid (Intravitam Wessel). Ein ambulanter Fahrdienst sowie 24-Stunden-Assistenzen und Verhinderungspflege gehören ebenfalls zum Angebot.

Die Aufgabe: Menschen in ihrer spezifischen Lebenssituation ein liebevolles und behütetes Zuhause zu geben oder sie in ihrem eigenen Zuhause bestmöglich zu pflegen, zu betreuen und zu unterstützen. Das Betreuungskonzept umfasst derzeit sowohl Pflege- und betreute Wohngemeinschaften als auch Service-Wohneinheiten – als Brücke zwischen dem eigenen häuslichen Umfeld und stationären Einrichtungen.

 

Deckelbeträge dringend anheben

erschienen in care konkret am 10. Mai 2024

Pflegeunternehmen aus NRW haben sich zusammengeschlossen und mit einem Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik gewandt.

Viele privat geführte ambulante Pflegedienste fühlen sich an den Rand ihrer Existenz gedrängt. „Pflege am Limit“ heißt die Kampagne, zu der sich Unternehmen zusammengeschlossen und mit einem Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik gewandt haben (care konkret 17/2024, Seite 11). Zu hoch sind aus ihrer Sicht die finanziellen Belastungen. Die Refinanzierung sei keineswegs auskömmlich – obwohl von der Politik versprochen. Hinzu kommt, dass ambulant betreute Wohngemeinschaften per Gesetz finanziell deutlich schlechter gestellt sind als vollstationäre Unterbringungen. „Pflegeunternehmen stehen finanziell vor der Pleite – die meisten werden es nicht mehr bis zum Ende dieser Legislaturperiode schaffen“, heißt es in dem Brandbrief der auch an Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) Ende April verschickt wurde. Der Brandbrief wurde von 13 Verantwortlichen Unternehmer:innen der ambulanten Pflege vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen unterzeichnet. Zugleich wurde dem Schreiben ein Forderungskatalog beigelegt. Eine der zentralen Forderungen betrifft die Anhebung der Deckelbeträge aller Pflegegrade um mindestens 40 Prozent. Diese Maßnahme ist notwendig, um sicherzustellen, dass Pflegedienste ihre Patient:innen weiterhin adäquat versorgen können. Die derzeitige Begrenzung führt dazu, dass Pflegedienste aufgrund erreichter Kostenobergrenzen weniger Leistungen erbringen, was letztendlich die Belastung der Pflegebedürftigen erhöht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gleichstellung beim Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG). Ambulant betreute Wohngemeinschaften werden finanziell schlechter gestellt als vollstationäre Einrichtungen, was zu einer klaren Benachteiligung führt. Die Dienste fordern daher eine Angleichung der Leistungszuschläge für diese Wohnformen (siehe auch care konkret 18/2024 Seite 9). Des Weiteren wird eine deutliche Anhebung der Investitionskostenpauschale gefordert. „Sie ist seit mehr als 20 Jahren nicht angehoben worden und liegt noch immer bei 2,15 Euro pro Pflegestunde für Leistungen nach dem SGB XI. Ein realistischer Betrag liegt dagegen bei mindestens 6,45 Euro und muss künftig dynamisch ansteigende Kosten und Inflation angepasst werden“, so das Bündnis. Ein weiterer Aspekt betrifft die Reform der Ausbildungsumlage, bei der eine finanzielle Benachteiligung der ambulanten Pflegedienste bestehe. „Um dies gerechter zu gestalten, sollten sich alle, die von ausgebildeten Pflegekräften profitieren, an den Kosten der Ausbildung beteiligen. Hier sind vor allem Personaldienstleister in die Pflicht zu nehmen“, schlägt das Bündnis vor. Zudem wird die Zahlungsmoral der Kassen und Sozialhilfeträger kritisiert, da diese oft ihre gesetzlichen Zahlungsfristen nicht einhalten. Dies führt zu erheblichen finanziellen Problemen für Pflegedienste und gefährdet letztendlich die Versorgung der Patient:innen. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Deckelung der Personaldienstleister und die Gleichstellung von Tariflöhnen in der Pflege. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Pflegekräfte angemessen entlohnt werden und keine prekären Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Schließlich wird gefordert, sämtliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) angemessen zu vergüten. Derzeit können nur die höchstwertigen Leistungen abgerechnet werden, während weitere Leistungen de facto unbezahlt bleiben.

 

Michael Wessel: Kampagne ,Pflege am Limit‘ als Hilferuf | Die Stadtzeitung

erschienen auf die-stadtzeitung.de am 22. April 2024, Autor: Peter Pionke

„Pflege am Limit!“ heißt die Kampagne, mit der sich privat geführte Ambulante Pflegeunternehmen gegen die drohende Insolvenzwelle positionieren. Jahrzehnte lang dämmerte die Pflegebranche im Dornröschenschlaf dahin. Nahm Beschlüsse, Gesetzesreformen und zuletzt auch die Tarifpflicht ohne Protest hin. Scheinbar zu unbeweglich, zu statisch und unfähig, ihre eigenen Interessen zu vertreten.

Michael Wessel macht seinen Standpunkt beim engagierten Gedankenaustausch am „Runden Tisch“ deutlich – © Pflege Wessel

Wer frühzeitig vor Schieflagen gewarnt hatte, blieb allein auf weiter Flur. Zu groß offenbar das Konkurrenzdenken, zu gering die Einsicht, im selben Boot zu sitzen. Das ändert sich jetzt, und zwar schlagartig. Denn viele privat geführte ambulante Pflegedienstleister stehen vor der Pleite. Mehr als 800 Insolvenzen und Geschäftsaufgaben hat es im Jahr 2023 gegegen. Tendenz: anhaltend.

Alarmierende Zahlen, ein Aufwachprogramm wie mit dem Vorschlaghammer für viele Pflege-Unternehmer. Sie sehen ihr Lebenswerk gefährdet und bündeln jetzt endlich ihre Energien in gemeinsamen Kampagnen und einem Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik.

„Pflege am Limit!“ heißt die Kampagne, die Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel in Wuppertal, im März dieses Jahres ins Leben gerufen hat. Mit der Webseite www.pflege-am-limit.de macht das Unternehmen mit plakativen, emotionalen Bildern und Zitaten von Pflegebedürftigen und Pflegekräften darauf aufmerksam, was passiert, wenn demnächst der Ambulante Pflegedienst nicht mehr zu den Pflegebedürftigen kommt.

Öffentlichkeit soll wachgerüttelt werden

Die Kampagne rüttelt auf und zeigt Wirkung: Vor allem pflegende Angehörige, die vielleicht bald ganz ohne die Unterstützung professioneller, ambulanter Pflegedienst auskommen müssen. „Wir wollen die Öffentlichkeit wachrütteln und darüber informieren, dass die Pflege mit immer höheren Kosten konfrontiert ist, die nicht mehr finanzierbar sind“, erklärt Michael Wessel.

Neben einem Ambulanten Pflegedienst betreibt Wessel unter anderem ambulant betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke. „Auch die Kostenspirale für Pflegebedürftige ist viel zu weit nach oben gedreht worden, so dass fast jeder im Alter zum Sozialhilfe-Empfänger wird,“ sieht Michael Wessel für die Zukunft schwarz, falls sich nicht Grundlegendes ändert.

Aber nicht nur das! Beim zweiten Runden Tisch der Pflege, der jetzt in Wuppertal stattfand, war die Rückmeldung der anwesenden Unternehmer erschreckend. „Wir müssen bereits Patienten ablehnen, weil wir mit Anfahrt und Leistungserbringung so lange beschäftigt wären, dass wir am Ende draufzahlen“, klagt Knut Damerow von der  Lebensplus GmbH in Aachen.


Michael Wessel, Inhaber des Wuppertaler Pflegedienstes Wessel, wurde zum Vorkämpfer für die gesamte Pflegebranche  – © Pflegedienst Wessel

Im ländlichen Gebiet sprechen die Unternehmen nicht mehr von Leistungseinschränkung, sondern von Versorgungslücken. Knut Damerow: „Wir können viele hilfebedürftige Patienten nicht mehr versorgen.“ Auch Claudia Weber von Cura in Köln muss reihenweise Anfragen ablehnen, um ihr Unternehmen nicht in den Ruin zu treiben: „Wir berechnen bei jedem Patienten, ob er sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt. Anders geht es aber leider nicht. Schlimm, was aus der Pflege geworden ist!“

Die Gründe für die Schieflage sind vielfältig: Die Kosten stiegen seit Einführung der Tarifpflicht um mehr als 25 Prozent, werden jedoch nur bis zu 15 Prozent maximal refinanziert. Einzelne Pflegetätigkeiten können zwar höher abgerechnet werden, doch der Deckel der Pflegegrade ist nicht gestiegen. Das bedeutet Leistungskürzungen am Patienten, denn der zur Verfügung stehende Betrag des Pflegegrades ist nun schneller aufgebraucht.

Berechnungsgrundlagen zum Teil über 20 Jahre alt

Auch ist pro Patient, der mehrere ärztlich verordnete Leistungen bei demselben Einsatz erhält, nur die höchstwertige abrechenbar. Alle weiteren, die verpflichtend erbracht werden müssen, sind kostenlose Serviceleistungen der Pflegedienste. „Wir haben zu lange geschwiegen und alles mitgemacht“, sagt Thomas Mosel von Comfort Pflege Ostviertel in Münster.

Mangels Lobby, vor allem aber mangels Unterstützung seitens der Verbände und der Politik. „Unsere Investitionskosten sind jahrelang nicht angepasst worden, die Berechnungsgrundlagen dafür sind zum Teil älter als 20 Jahre“, unterstreicht Claus Lebschy von Mobile Häusliche Pflege GmbH aus Hessen.

Die Politik ist gefordert – so der Tenor der Unternehmer. Daher verfassen sie nun einen gemeinsamen, dringenden und unmissverständlichen Appell an die Landes- und Bundesregierung.

Informationen zur Kampagne, Termine und Unterstützer finden Sie unter:

www.pflege-am-limit.de

Pflege am Limit: „Wir haben zu lange geschwiegen“

erschienen auf haeusliche-pflege.net am 22. April 2024

„Pflege am Limit!“ heißt die Kampagne, mit der sich privat geführte Ambulante Pflegeunternehmen gegen die drohende Insolvenzwelle positionieren. 

Jahrzehnte lang dämmerte die Pflegebranche im Dornröschenschlaf. Nahm Beschlüsse, Gesetzesreformen und zuletzt auch die Tarifpflicht ohne Protest hin. Zu unbeweglich, zu statisch und unfähig, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Wer frühzeitig vor Schieflagen gewarnt hatte, blieb allein auf weiter Flur.

 

Zu groß der Konkurrenzgedanke, zu gering das Verständnis, im selben Boot zu sitzen. Das ändert sich jetzt, und zwar schlagartig. Denn viele privat geführte ambulante Pflegedienstleister stehen vor der Pleite.

Mehr als 800 Insolvenzen und Geschäftsaufgaben im Jahr 2023, Tendenz: anhaltend. Ein Aufwachprogramm wie mit dem Vorschlaghammer für die Unternehmer. Sie sehen ihr Lebenswerk gefährdet und bündeln ihre Energien in gemeinsamen Kampagnen und einem Brandbrief an die Landes- und Bundespolitik.

„Pflege am Limit!“ heißt die Kampagne, die Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel in Wuppertal, im März dieses Jahres ins Leben gerufen hat. Mit der Webseite www.pflege-am-limit.de macht das Unternehmen mit plakativen, emotionalen Bildern und Zitaten von Pflegebedürftigen und Pflegekräften darauf aufmerksam, was passiert, wenn demnächst der Ambulante Pflegedienst nicht mehr da ist.

Die Kampagne rüttelt auf: vor allem pflegende Angehörige, die vielleicht bald ganz ohne ambulanten Pflegedienst auskommen müssen. „Wir wollen die Öffentlichkeit wachrütteln und darüber informieren, dass die Pflege mit immer höheren Kosten konfrontiert ist, die nicht mehr finanzierbar sind“, sagt Wessel.

Neben einem Ambulanten Pflegedienst betreibt Wessel unter anderem Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke. „Auch die Kostenspirale für Pflegebedürftige ist viel zu weit nach oben gedreht worden, so dass fast jeder im Alter zum Sozialhilfeempfänger wird.“

Aber nicht nur das. Beim zweiten Runden Tisch der Pflege, der am 18. April in Wuppertal stattfand, war die Rückmeldung der anwesenden Unternehmer erschreckend. „Wir müssen bereits Patienten ablehnen, weil wir mit Anfahrt und Leistungserbringung so lange beschäftigt wären, dass wir am Ende drauf zahlen“, sagt Knut Damerow, Lebensplus GmbH Aachen.

Im ländlichen Gebiet sprechen die Unternehmen nicht mehr von Leistungseinschränkung, sondern von Versorgungslücken. „Wir können viele hilfebedürftige Patienten nicht mehr versorgen.“ Auch Claudia Weber, Cura Köln, lehnt reihenweise Anfragen ab, um ihr Unternehmen nicht in den Ruin zu treiben: „Wir berechnen bei jedem Patienten, ob er sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt. Schlimm, was aus der Pflege geworden ist, aber anders geht es nicht.“

Informationen zur Kampagne, Termine und Unterstützer unter: www.pflege-am-limit.de

Geschlossen aus der Notlage

erschienen in care konkret am 15.03 2024, Autoren: Asim Loncaric und Daniela Kebel

Die Zeit drängt – da sind sich alle einig. Finanzielle Reserven sind oft aufgebraucht, privates Vermögen wird für Löhne und Gehälter eingesetzt. Das Ende des eigenen Unternehmens vor Augen, machten sich Unternehmer der Pflegebranche beim Runden Tisch am 29. Februar in Wuppertal Luft.

Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel, hatte eingeladen – und diesmal kamen sie. Sie warfen Konkurrenzdenken und Stolz über Bord und demonstrierten stattdessen Einigkeit. Denn seit mehr als einem Jahr eint die privat geführten ambulanten Pflegedienste der Kampf ums wirtschaftliche Überleben – und das nach teilweise 30 oder 40 Jahren Selbstständigkeit. Der Tenor: Es geht nur gemeinsam. Und nur mit viel Druck auf die Politik.

23 Unternehmer aus Hessen, Aachen, Münster sowie dem Raum Wuppertal und Mettmann sitzen am runden Tisch, dazu ein Vertreter des bpa, des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Der bpa hat allein in NRW rund 2.300 Mitglieder. Vom VDAB, bad oder auch vom Landesverband freie ambulante Krankenpflege NRW (LfK) war niemand gekommen. Besonders der LfK wurde dafür von mehrern Teilnehmenden in deutlichen Worten kritisiert.

„Wo waren Sie, als wir im Sommer 2022 davor gewarnt haben, dass die Tarifpflicht Unternehmen in die Insolvenz treiben würde?“, fragt Michael Wessel den bpa-Vertreter David Schulz. In die Insolvenz deshalb, weil die Obergrenze der Pflegegrade seitdem immer noch nicht angehoben wurde, dafür aber die Einzelleistungen teurer geworden sind, so die Kritik. Das gehe zu Lasten der Pflegebedürftigen, denn entweder können nun weniger Leistungen erbracht werden oder die Pflegedienste zahlen drauf. „Und das geschieht überall“, sagt Knut Damerow, Lebensplus GmbH in Aachen. „Wir machen unsere Arbeit mit Herzblut für die Pflegeempfänger, wir können sie doch nicht allein lassen!“

Gemeinsam mit der Cura Ambulante Pf legedienste GmbH in Aachen haben die Unternehmen bereits am 21. Februar einen Protesttag auf die Straße gebracht (care konkret 9/2024). Initiatorinnen und Inititatoren der Aktion „Pflege tut Not“ sind Knut Damerow, Alice Hubertz, Georg Pähler (Interview unten) und Norbert Vongehr.

Der Runde Tisch in Wuppertal ist ein willkommenes Vernetzungstreffen. „Wir müssen mehr werden und so schnell wie möglich zum Düsseldorfer Landtag und nach Berlin“, so der Tenor der Anwesenden. Auch die Bevölkerung müsse wachgerüttelt werden. Doch weder Pflegebedürftige noch pflegende Angehörige seien auf die Straße zu bewegen. „Wenn sie nicht zu uns kommen können, gehen wir zu ihnen“, sagt Norbert Vongehr, Cura Aachen.

Mit ihrer Aktion, kurze Videos zu drehen, haben sie mitten ins Herz getroffen. „Wir haben Pflegebedürftige gefragt, was sie tun werden, wenn demnächst kein ambulanter Dienst mehr zu ihnen kommt. Die Antworten haben uns zum Weinen gebracht“, sagt Vongehr.

Denn in den meisten Fällen haben diese Menschen keine Kinder oder Freunde, die die Pflege übernehmen könnten. Also wünschen sie sich einen schnellen Tod.

„Wir haben jetzt schon Pflegeempfänger, die auf das Waschen verzichten und stattdessen das Geld fürs Essen brauchen.“ Das sagen alle Anwesenden: Dringend notwendige Körperpflege wird nicht in Anspruch genommen, weil die Betroffenen das Pflegegeld für Essen brauchen. Ein erschreckendes Signal. „Die Politik hat offensichtlich nur ein Ziel: die ambulante Pflege abzuschaffen“, sagt Damerow.

„Wir stehen politisch vor dem Problem, dass in den restlichen anderthalb Jahren dieser Legislaturperiode niemand mehr das Thema aufgreift. Da wird sich im beginnenden Wahlkampf nur um sich selbst und den eigenen Postenerhalt gekümmert“, sagt Wessel. „Und unternehmerisch vor dem Problem, dass die meisten von uns keine anderthalb Jahre mehr haben.“

Harte Worte, Pflege Wessel hat mehr als 250 Mitarbeiter. Die Krankenkassen zahlen teilweise erst nach Monaten statt wie vertraglich vereinbart nach 14 Tagen – für alle Unternehmen eine untragbare finanzielle Belastung. „Auf eine Zahlung des LVR in Höhe von 1,2 Millionen Euro mussten wir zwölf Monate warten“, berichtet Wessel.

Die Frustration liegt bleischwer im Raum, viele haben die Konsequenzen längst zu Ende gedacht. Daraus erwächst im Moment Tatendrang statt Resignation. Neben dem wichtigsten Punkt, der Vernetzung mit vielen anderen Pflegediensten, hat die Runde einen Forderungskatalog aufgestellt, der an Landes- und Bundesregierung geschickt werden soll. Denn Geld sei genug da, es müsse nur anders verteilt werden, meint Wessel. Statt Steuergelder ins Ausland zu schicken, müsse ein fester Zuschuss in die Pflegekassen fließen, um die Arbeit der ambulanten Dienste auskömmlich zu refinanzieren. Zudem müsse gelten: Gleiche Arbeit, gleicher Lohn.

„Wenn ich Tarife zahle, brauche ich auch den Punktwert der Caritas“, sagt Thomas Mosel, Comfort Pflege Ostviertel in Münster. Das heißt, die Leistung muss gleich bezahlt werden. Und: Wer nicht selbst ausbildet, soll sich an den Kosten beteiligen. Denn die ambulanten Dienste zahlen immense Summen für die Auszubildenden, während weder das Land noch die Personaldienstleister ausbilden – die dann aber davon profitieren. „Zeitarbeit ist Ausbeutung. Den Pflegekräften gönn’ ich alles Geld der Welt, aber ich kann dafür nicht an das Altersgeld meiner Patienten gehen“, sagt Damerow.

Viele weitere Forderungen stehen auf der Liste, doch alle sind sich bewusst, dass sich dadurch zunächst nichts ändern wird. Über eines sind sich aber die Meisten einig: „Es geht nur auf der Straße – und das muss allen klar sein.“

Die Ambitionen sind groß und der Leidensdruck noch größer. Dass solche Initiativen durchaus für Aufmerksamkeit und politische Beachtung sorgen können, zeigen Initiativen von Pflegediensten in Niedersachsen oder Mecklenburg Vorpommern.

Hervorgegangen aus der Initiative „Pflege in Not Mecklenburg-Vorpommern“ startete vor wenigen Wochen das Bündnis „Zukunftsfeste Pflege“ in Mecklenburg-Vorpommerns einen landesweiten Bürgerdialog mit Verbandsvertretern, Krankenkassen und der Landespolitik. Auch hier hatte das Bündnis mehrfach auf die unzureichende finanzielle und personelle Ausstattung in der ambulanten Pflege hingewiesen und gegen die Politik der Bundesregierung protestiert (siehe auch Beitrag auf Seite 11 dieser Ausgabe).

„Wir sind präsent“

Im Gespräch mit Georg Pähler

Herr Pähler, Sie haben mit mehreren ambulanten Pflegediensten eine Demonstration in Aachen organisert. Was ist Ihr Fazit daraus?

Emotionell gesehen waren die ambulanten Pflegedienste gegen die Kassenpolitik präsent und haben ihre Anliegen artikuliert. Wir haben auch über die Tagespresse, Fernsehen und Radio sowie in den sozialen Medien intensiv unser Anliegen beworben. Sachlich gesehen haben wir sicherlich einige Menschen erreicht, die betroffen oder Entscheidungsträger sind. Und: Die Kassen sind nicht mehr per du mit mir.

Was ist der nächste Schritt?

Wir haben am 20. März hier in Aachen ein Treffen, zu dem wir die Pflegedienste aus der Städteregion einladen werden. Das sind immerhin 110.

Wie verlaufen die Gespräche mit den Verbänden? Erfahren Sie Unterstützung?

Vom bpa wurde ich nach unserer Demonstration an der auch ein Vetreter des bpa dabei war jetzt zur Mitarbeit in einer neu gegrün- deten Task Force eingeladen. Ich habe den bpa immer wieder gedrängt, uns bundesweit zu unterstützen. Der Verband war politisch langsam, aber tägliche Anrufe und E-Mails haben schließlich gewirkt.

Pressemitteilung vom 01.03.2024

Es bleibt keine Zeit mehr – darüber sind sich alle einig. Finanzielle Reserven sind oftmals aufgebraucht, Privatvermögen wird zum Bezahlen der Löhne verwendet. Das Ende des eigenen Betriebs vor Augen, machen sich Unternehmer der Pflegebranche Luft beim Runden Tisch in Wuppertal.

Ernste Gespräch am runden Tisch. In der Mitte Michale Wessel – © Pflege Wessel

Michael Wessel, Inhaber Pflege Wessel, hatte eingeladen – und diesmal kamen sie, die Mitbewerber. Sie alle warfen Konkurrenzdenken und Stolz über Bord, zeigten stattdessen Einigkeit. Denn die privat geführten ambulanten Pflegedienste eint seit mehr als einem Jahr der Kampf ums geschäftliche Überleben. Und das nach teilweise 30 oder 40 Jahren Selbstständigkeit. Der Tenor: Es geht nur gemeinsam. Und nur mit erheblichem Druck auf die Politik.

23 Unternehmer aus Hessen, Aachen, Münster sowie dem Wuppertaler und Mettmanner Gebiet saßen an runden Tischen, dazu ein Vertreter des bpa, des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Der bpa ist einer der großen Verbände, zählt bundesweit rund 13 000 Mitglieder, etwa 2.300 allein in NRW.

„Wo waren Sie, als wir im Sommer 2022 davor gewarnt haben, dass die Tarifpflicht Unternehmen in die Insolvenz treiben würde?“, fragte Michael Wessel den bpa-Vertreter David Schulz. In die Insolvenz deshalb, weil der Deckel der Pflegegrade seitdem immer noch nicht angehoben wurde, wohl aber Einzelleistungen nun teurer sind.

Auf Kosten der Pflegebedürftigen

Das geht auf Kosten der Pflegebedürftigen, denn es können nun entweder weniger Leistungen erbracht werden, oder die Pflegedienste zahlen drauf. „Und das geschieht überall“, sagt Knut Damerow, Lebensplus GmbH in Aachen. „Wir machen unsere Arbeit mit Herzblut für die Pflegeempfänger, wir können sie doch nicht allein lassen!“

Gemeinsam mit der Cura Ambulante Pflegedienste GmbH in Aachen hatten die Unternehmen am 21. Februar bereits einen Protesttag auf die Straße gebracht, der Runde Tisch in Wuppertal ist ein willkommenes Vernetzungstreffen. „Wir müssen mehr werden und schnellstmöglich zum Landtag Düsseldorf und nach Berlin“, so der Tenor der Anwesenden.

Auch die Bevölkerung müsse wachgerüttelt werden. Doch weder Pflegebedürftige noch pflegende Angehörige seien auf die Straße zu bewegen. „Wenn sie nicht zu uns kommen können, gehen wir zu ihnen“, sagt Norbert Vongehr, Cura Aachen. Mit ihrer Aktion, kurze Videos zu drehen, haben sie mitten ins Herz getroffen. „Wir haben Pflegebedürftige gefragt, was sie tun werden, wenn demnächst kein ambulanter Dienst mehr zu ihnen kommt. Die Antworten haben uns zum Weinen gebracht“, so Vongehr.

Michael Wessel (M.) richtet die Worte an seine Kolleginnen und Kollegen – © Pflege Wessel

Denn in den meisten Fällen haben diese Menschen keine Kinder oder Freunde, die ihre Pflege übernehmen können. Also wünschen sie sich einen schnellen Tod. „Wir haben jetzt schon Pflegeempfänger, die auf das Waschen verzichten und stattdessen das Geld fürs Essen brauchen.“

Alle Anwesenden erzählen das Gleiche: Dringend notwendige Leistungen der Körperpflege werden nicht in Anspruch genommen, weil die Betroffenen das Pflegegeld für Nahrungsmittel benötigen. Ein erschreckendes Signal. „Die Politik verfolgt offenbar nur ein Ziel: ambulante Pflegedienste abzuschaffen“, so Damerow.

„Wir stehen politisch vor dem Problem, dass in den restlichen anderthalb Jahren dieser Legislaturperiode niemand mehr das Thema aufgreift. Da wird sich im beginnenden Wahlkampf nur um sich selbst und den eigenen Postenerhalt gekümmert“, sagt Michael Wessel. „Und unternehmerisch vor dem Problem, dass die meisten von uns keine anderthalb Jahre mehr haben.“

Harte Worte, Pflege Wessel zählt mehr als 250 Mitarbeiter. Krankenkassen zahlen zum Teil erst nach Monaten, statt wie vertraglich vereinbart nach 14 Tagen – für alle Unternehmen eine nicht mehr zu stemmende finanzielle Belastung. „Wir mussten zwölf Monate auf eine Zahlung vom LVR in Höhe von 1,2 Millionen Euro warten“, ergänzt Wessel.

Frust hängt bleischwer im Raum

Frust hängt bleischwer im Raum, viele haben die Konsequenzen längst zu Ende gedacht. Daraus erwächst im Moment noch Tatendrang statt Resignation. Neben dem wichtigsten Punkt der Vernetzung mit zahlreichen weiteren Pflegediensten, hat die Runde einen Forderungskatalog erstellt, der an Landes- und Bundesregierung geschickt wird. Denn „Geld ist genug da, es muss nur anders verteilt werden“, so Wessel.

Statt Steuergeld ins Ausland zu schicken, müsse ein fester Zuschuss in die Pflegekasse gezahlt werden, um die Arbeit ambulanter Dienste auskömmlich zu refinanzieren. Zudem müsse gelten: gleiche Arbeit, gleicher Verdienst. „Wenn ich Tarife zahle, brauche ich auch den Punktwert der Caritas“, sagt Thomas Mosel, Comfort Pflege Ostviertel in Münster.

Sprich, die Leistungen müssen gleichermaßen vergütet werden. Und: Wer nicht selbst ausbildet, soll sich an den Kosten beteiligen. Denn ambulante Dienste zahlen bei Auszubildenden immense Summen drauf, dagegen bilden weder das Land noch die Personaldienstleister aus – die dann aber im Anschluss profitieren.

„Zeitarbeit ist Ausbeutung. Den Pflegekräften gönn‘ ich alles Geld der Welt, aber ich kann dafür nicht an das Altersgeld meiner Patienten gehen“, sagt Damerow. Viele weitere Forderungen stehen auf der Liste, doch dass dies zunächst nichts ändert, ist allen bewusst. „Es geht nur auf der Straße – und allen muss das klar sein.“